Mit dem Binnenmarkt-Gesetz öffnet Premierminister Boris Johnson einen eigentlich bereits geschlossenen Punkt der Brexit-Verhandlungen. Streitpunkt ist die Grenze zwischen Irland und Nordirland. Mit dem kürzlich verabschiedeten Gesetz soll Nordirland auch nach dem Auslaufen der Übergangsfrist ein “uneingeschränkter Zugang” zum britischen Markt garantiert werden. Die Folge wäre eine harte Zollgrenze zwischen Irland und Nordirland. Eine solche Grenze könnte den alten Konflikt wieder aufflammen lassen. Die EU sieht ein Verstoß gegen das Austrittsabkommen.

Nordirland: Binnenmarkt oder Zollunion?

Brexit: EU leitet Verfahren gegen Großbritannien ein 1

Dieser neue Konflikt belastet die Austrittsverhandlungen zwischen der EU und Großbritannien massiv. Die EU hatte Großbritannien Mitte September aufgefordert, das Binnenmarkt-Gesetz bis Ende September zurückzuziehen. Diese Frist ließ Premierminister Johnson verstreichen. Selbst ein Krisengespräch zwischen EU-Kommissionsvize Maros Sefcovic und dem britischen Staatsminister Michael Gove blieb ohne Einigung. Sefcovic sprach von zerstörtem Vertrauen.

Die Kernfrage ist, zu welchem Wirtschaftsraum Nordirland zählt. Das Binnenmarkt-Gesetz zählt Nordirland zukünftig zum britischen Binnenmarkt. Das Brexit-Abkommen sieht jedoch eine Zollunion zwischen Nordirland und der EU vor. In Nordirland müssten demnach auch künftig noch die Regeln des europäischen Binnenmarktes gelten.

EU leitet rechtliche Schritte ein

Die von der EU kritisierten Passagen des Binnenmarkt-Gesetzes zu Nordirland sind weiterhin Bestandteil des Binnenmarkt-Gesetzes. Am Dienstag wurde das Gesetz von der Mehrheit im britischen Unterhaus gebilligt. Damit verstoße Großbritannien gegen das Austrittsabkommen und gegen die im Austrittsabkommen festgelegte Verpflichtung von “Treue und Glauben” so EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen. Das Gesetz verletze die von Johnson unterzeichnete Vereinbarung, dass in Nordirland weiterhin die Regeln des EU-Binnenmarktes und der EU-Zollunion gelten, damit es keine harte Grenze auf der irischen Insel gibt. Mit dieser Regelung sollte die Gefahr einer erneuten Bürgerkriegs in Nordirland gebannt werden.

Die EU-Kommission hat aus diesen Gründen entschieden, ein sogenanntes “Aufforderungsschreiben” an die britische Regierung zu senden. Die Johnson-Regierung wird damit aufgefordert binnen eines Monats Stellung zu nehmen. Dies ist der erste Schritt in einem Vertragsverletzungsverfahren gegen Großbritannien, das zu einer Klage vor dem Europäischen Gerichtshof führen kann. Am Ende können Strafzahlungen das Ergebnis eines solchen Verfahrens sein.

Brexit Szenario Norwegenmodell

Der Brexit im Überblick

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