Das neue Lieferkettengesetz

Was steckt dahinter?

Mit dem neuen Lieferkettengesetz sollen Großunternehmen dazu verpflichtet werden, bei allen Zulieferern und Partnern auf die Einhaltung sämtlicher Menschenrechte zu achten. Ab 2023 entsteht für Unternehmen auf diese Weise eine umfassende Sorgfaltspflicht, die sich auf die gesamte Lieferkette bezieht. Da die auf Freiwilligkeit basierenden Regelungen bisher nicht vollständig gewirkt haben, ist das mittlerweile vom Bundestag verabschiedete Gesetz eine wichtige Grundlage. In diesem Beitrag zeigen wir, was es damit konkret auf sich hat und wen das Lieferkettengesetz betrifft.

Europaflagge vor Europakarte

Weitergehender als das deutsche Lieferkettengesetz:

Die neue EU-Lieferketten-Richtlinie

Nach dem der deutsche Gesetzgeber das Lieferkettengesetz beschlossen hat, zieht die Europäische Kommission nach. Im Februar wurde der Kommissionsentwurf der EU-Richtlinie über die unternehmerische Sorgfaltspflicht im Bereich Nachhaltigkeit veröffentlicht – auch “EU-Lieferketten-RL” (EU 2019/1937). 

Warum wurde der neue gesetzliche Rahmen gebraucht?

Vor allem im Rahmen internationaler Lieferketten, die aufgrund der zunehmenden Globalisierung bereits häufig vorkommen, werden regelmäßig Menschenrechte verletzt. Gängige Formen dieser Verletzungen sind die Kinderarbeit, der fehlende Arbeitsschutz, ausbleibende Arbeitsrechte, aktive Ausbeutung oder Diskriminierung. So verdienen viele Unternehmen an der Armut anderer Menschen, was mithilfe neuer Leitprinzipien und Ansätze zielgerichtet vermieden werden soll.

Das neue Lieferkettengesetz

Bereits 2016 wurde geprüft, inwiefern Unternehmen auch auf freiwilliger Basis für eine Überprüfung ihrer Lieferkette sorgen. Während die erklärte Zielmarke bei 50 % lag, haben im Rahmen einer Befragung nur etwa 400 der angefragten 3.000 Betriebe geantwortet. 20 % der 400 Unternehmen haben die gestellten Anforderungen erfüllt. In einer zweiten Runde im Jahr 2020 steigerte sich zwar die Anzahl der Rückmeldungen, erfüllt wurden die Anforderungen jedoch nur von 17 % der Betriebe.

Neben der sozialen Verantwortung für andere Menschen fokussiert sich das Gesetz zudem auf ökologische Aspekte. Verstöße wie die illegale Abholzung, die Verpestung von Luft und Wasser sowie der Ausstoß von Pestiziden sollen im Rahmen des Lieferkettengesetzes verboten sein und bei entsprechenden Verstößen geahndet werden. Mit dem aktuellen Gesetzentwurf sollen auf diese Weise die derzeit bestehenden Nachteile für Unternehmen abgebaut werden, die sich für eine faire und nachhaltige Lieferkette einsetzen. Nachhaltige Investments lohnen sich somit wieder mehr.

Der Weg zum Lieferkettengesetz

Im Februar 2021 wurde ein Referentenentwurf für ein deutsches Sorgfaltspflichtengesetz (oder auch Lieferkettensorgfaltsgesetz) durch die Bundesministerien für Arbeit und Soziales (BMAS), Wirtschaft und Energie (BMWi) und wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) vorgelegt. Ziel des Entwurfs war, deutsche Unternehmen zukünftig für die Einhaltung der Menschenrechte in ihrer Liefer- und Wertschöpfungskette zu verpflichten. Das Bundeskabinett hat den Referentenentwurf am 04. März 2021 gebilligt, am 11. Juni 2021 hat der Bundestag das Gesetz verabschiedet. Der Bundesrat hat das Lieferkettensorgfaltsgesetz (LKSG oder Lieferkettengesetz) in seiner Sitzung am 25. Juni 2021 ebenfalls beschlossen. Somit tritt das Gesetz zum Jahr 2023 in Kraft.

Diese Bereiche regelt das Lieferkettengesetz

Um einen wirksamen Rahmen zu schaffen, bezieht sich der gesetzliche Rahmen auf die gesamte Lieferkette. So sind die Unternehmen in der Pflicht, die Anforderungen im eigenen Geschäftsbereich, aber auch im Umfeld der unmittelbaren Zulieferer umzusetzen. Sollte das jeweilige Unternehmen Kenntnis zu Menschenrechtsverletzungen bei mittelbaren Zulieferern haben, müssen auch diese Faktoren einbezogen werden. Dies sorgt dafür, dass global faire und gleiche Standards entstehen.

Bis zum Jahr 2023 verändert sich für die Unternehmen allerdings noch nichts. Im Jahr 2023 gilt das neue Lieferkettengesetz dann für alle Betriebe mit mehr als 3.000 Mitarbeitern. In Deutschland trifft dies nach aktuellem Stand auf etwa 600 Unternehmen zu. Ab 2024 wird das Gesetz automatisch auf alle Unternehmen ausgeweitet, die mehr als 1.000 Mitarbeiter verzeichnen. Dies sind dann bereits 2.900 Betriebe, wodurch auch weiterhin ein Großteil der Unternehmen nicht kontrolliert wird.

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Kommende Sorgfaltspflichten für diverse Menschenrechte

Um den Wirkungsraum des Gesetzentwurfs möglichst weitreichend zu fassen, sind rund um den Schutz der Menschenrechte zahlreiche Sorgfaltspflichten aufgeführt. Konkret bezieht sich das Gesetz auf alle menschenrechtlichen Risiken, bei denen es sich mit hinreichender Wahrscheinlichkeit um einen Verstoß handelt. Die folgenden Bereiche werden an dieser Stelle im Detail unterschieden:

  • Freiheit von Zwangsarbeit und Sklaverei
  • Schutz von Kindern und Vermeidung von Kinderarbeit
  • Unversehrtheit von Leben und Gesundheit
  • Verbot zur Missachtung des Arbeitsschutzes
  • Vereinigungsfreiheit und Recht kollektiver Verhandlungen
  • Verbot der Ungleichbehandlung und Diskriminierung
  • Verbot des Einzugs von Land, Gewässern und Wäldern
  • Verbot des Vorenthaltens eines angemessenen Lohns
  • Wahrung umweltbezogener und ökologischer Pflichten

Besonders aufgrund des zunehmenden zivilgesellschaftlichen Drucks wurde aus den seit vielen Jahren bestehenden Forderungen ein konkretes Gesetz. Während zahlreiche Wirtschaftsverbände die Einführung eines konkreten Gesetzes zur Lieferkette vermeiden wollten, wurde der Gesetzentwurf am 10. März 2021 mit großer Mehrheit vom Europaparlament verabschiedet. Auch die Bundesregierung hat mittlerweile einen Entwurf des Gesetzes für Deutschland vorgelegt.

Die Auswirkungen des Gesetzes für deutsche Unternehmen

Für deutsche Unternehmen sieht das Lieferkettengesetz die Umsetzung neuer Sorgfaltspflichten vor, die über die bereits bestehenden Berichterstattungspflichten hinausgehen. Auch wenn im Rahmen des Lieferkettengesetzes keine zivilrechtlichen Haftungsregelungen eingeführt werden, sind Bußgelder bei Verstößen durchaus möglich. Die folgenden Maßnahmen gilt es daher umzusetzen:

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Grundsatzerklärung

Im Rahmen der Grundsatzerklärung weisen Unternehmen mit ihren Leitprinzipien darauf hin, dass die Achtung der Menschenrechte im Vordergrund steht und stetig überprüft wird.

Risikoanalyse

Mit der Risikoanalyse werden neue Verfahren zur Ermittlung nachteiliger Auswirkungen ausgearbeitet, die sich auf die jeweiligen Menschenrechte beziehen lassen.

Risikomanagement

Durch das Risikomanagement entscheiden Unternehmen, welche Maßnahmen für das Unternehmen zumutbar sind und wie sich negative Auswirkungen vermeiden lassen.

Berichterstattung

Sowohl die Ausfuhrkontrolle als auch Umweltstandards und soziale Sorgfaltspflichten werden anhand ihrer Wirkung umfassend dokumentiert und durch die Berichterstattung verdeutlicht.

Beschwerdemechanismus

Bei möglichen Verstößen gegen Menschenrechte sowie bei damit verbundenen Vermutungen müssen Unternehmen einen Beschwerdemechanismus einführen, der universell erreichbar ist.

So ist die Umsetzung vor Ort im Betrieb vorgesehen

Wie bereits erwähnt, sind die neuen Sorgfaltspflichten anhand der vorgestellten Maßnahmen umfassend umzusetzen. Sollte es zu einer Verletzung beim direkten Zulieferer oder im eigenen Unternehmen kommen, müssen unverzüglich entsprechende Abhilfemaßnahmen eingeleitet werden. Der Fokus des Lieferkettengesetzes liegt nicht auf der Bestrafung oder Sanktionierung der Unternehmen, sondern auf der Vermeidung von Menschenrechtsverstößen wie der Kinderarbeit.

Hierzu soll die vorhandene Compliance-Organisation ausgeweitet werden, in dem auch die Aspekte der Menschenrechtskonformität und Nachhaltigkeit integriert werden. Hinzu kommt die Analyse der Risiken, die auch wirtschaftliche Aspekte für das Unternehmen nicht aus dem Blick verliert. Auch Schulungen für Lieferanten, ein entsprechender Verhaltenskodex, einheitliche Standards und regelmäßige Überprüfungen der gesamten Lieferkette gehören zu den zentralen Aufgaben.

Lückenlose Transparenz? Nicht für alle Teile der Lieferkette

Sowohl für die Sanktionierung der Menschenrechtsverletzungen als auch für die Umweltstandards gibt es bisher von vielen Seiten Kritik. So sei das neue Lieferkettengesetz längst nicht weit genug gefasst, da es eine Vielzahl der Unternehmen in Deutschland gar nicht betrifft. Nur für große Unternehmen mit zunächst mehr als 3.000 Beschäftigten und ab 2024 dann mit 1.000 Mitarbeitern zeigt das Gesetz Wirkung. Dazwischen liegen jedoch viele weitere nicht optimierte Lieferketten.

Ob das Gesetz durch den Druck der Opposition weiter verschärft wird, bleibt abzuwarten. Die konkrete Auslegung des Gesetzentwurfs obliegt zunächst der Bundesregierung, bis der Bundestag die finale Version des Gesetzes verabschieden kann. Aspekte wie die Ausweitung der Ausfuhrkontrolle sowie die Einführung konkreter Maßnahmen zur Vermeidung von Menschenrechtsverletzungen wie der Kinderarbeit werden jedoch bereits im europäischen Rahmen vorgeschrieben. Klar ist also, dass das Lieferkettengesetz ab 2023 kommt und dass große Unternehmen viel Arbeit erwarten wird.

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KMUs fallen nicht unter das Lieferkettensorgfaltspflichtgesetz, können aber dennoch mit dem Gesetz in Berührung kommen

Ein KMU kann mit den Anforderungen des Gesetzes in Berührung kommen, wenn es einem anderen Unternehmen Dienste leistet oder Produkte zuliefert, das seinerseits den LkSG-Pflichten unterliegt. Dann gilt das KMU nach dem LkSG als unmittelbarer Zulieferer des verpflichteten Unternehmens. Das verpflichtete Unternehmen muss unmittelbare Zulieferer, bei denen es ein Risiko vermutet, in seine konkrete Risikoanalyse und ggf. in Präventions- und Abhilfemaßnahmen sowie in die Einrichtung seines Beschwerdeverfahrens einbeziehen.

Daher hat das BAFA am 29.06.2023 Unterlagen veröffentlicht, die betroffenen KMUs helfen sollen:

Mit dem FAQ-Katalog und der Zusammenfassung der Handreichung „Zusammenarbeit in der Lieferkette zwischen verpflichteten Unternehmen und ihren Zulieferern“ erhalten KMU eine wertvolle Hilfestellung, für den Fall, dass Sie mit den Anforderungen im Kontext des LkSG konfrontiert werden. Die Papiere zeigen unter anderem auf, wo eine Zusammenarbeit im Gesetz verankert ist und wozu verpflichtete Unternehmen ihre Zulieferer nach dem LkSG nicht auffordern dürfen.

Außerdem stellt das BAFA eine Information mit Praxisbeispielen und weiterführenden Empfehlungen für eine konstruktive Zusammenarbeit zwischen verpflichteten Unternehmen und ihren Zulieferern in Aussicht.

 

Wirksamer Schutz vor medizinischer und ökologischer Gefahr

Während das neue Lieferkettengesetz auf den ersten Blick deutlich mehr Fairness auf dem globalen Arbeitsmarkt schafft, entsteht für viele Unternehmen ein hohes Reputationsrisiko. Daher ist es entscheidend, innerhalb der Frist von rund 18 Monaten selbst für eine Umsetzung zu sorgen und die eigene Lieferkette entsprechend zu optimieren. Inwiefern weitere Anpassungen des Gesetzes vorgenommen werden, bleibt abzuwarten. Der konkrete Rahmen wird sich jedoch nicht mehr verändern, wodurch die neuen Sorgfaltspflichten für Mensch und Umwelt ab 2023 umzusetzen sind.

Lieferketten-
sorgfaltspflichtgesetz FAQ

Wichtige Fragen zum neuen Gesetz

Was passiert bei Verstößen gegen das Lieferkettengesetz?

Kontrolliert werden die unternehmerischen Sorgfaltspflichten vom Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA). Konkret kann es bei Verstößen zu erheblichen Bußgeldern oder sogar zum Ausschluss von öffentlichen Ausschreibungen kommen. Aufgrund der ausbleibenden Haftung für Menschenrechtsverletzungen im Ausland wird die Sanktionierung vor Ort jedoch nicht einfach.

Warum stehen Verstöße im Ausland im Vordergrund?

Bei Verstößen im Ausland war das deutsche Rechtssystem bisher kaum in der Lage, auf Verstöße zu reagieren und diese gerichtsfest zu ahnden. Die Prüfung der Lieferkette im Ausland war auf diese Weise bisher nicht verpflichtend, wodurch Mensch und Umwelt im jeweiligen Produktionsland auch nicht geschützt wurden. Das neue Lieferkettengesetz soll aus diesem Grund im Ausland nachbessern.

Wirkt sich das Lieferkettengesetz auch auf Zulieferer aus?

Die direkten Zulieferer werden vom verantwortlichen Unternehmen ebenfalls genauer unter die Lupe genommen und anhand ihrer Sorgfaltspflichten überprüft. Mittelbare Zulieferer werden hingegen erst dann genauer betrachtet, wenn Verstöße auffallen oder gemeldet werden. So wirkt sich das Gesetz zwar auf Zulieferer aus, betrachtet jedoch primär die unmittelbaren Partner.

Wie kann das Gesetz die Bedingungen im Ausland regulieren?

Grundsätzlich ist jedes Land selbst für die jeweiligen Gesetze und Bestimmungen zum Arbeitswesen vor Ort verantwortlich. Aufgrund der finanziell eingeschränkten Situation besteht im Rahmen der Globalisierung jedoch ein enormer Druck für arme Länder, worunter die Menschenrechte leiden. Gesetzliche Rahmenbedingungen und Standards sollen hierbei für mehr Gerechtigkeit sorgen.

Warum gilt das Gesetz nicht für alle Unternehmen?

Eines der zentralen Argumente auf diese Frage ist die Komplexität der Einführung und Kontrolle. Während Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitern über die nötigen Ressourcen verfügen, ist dies für kleinere Unternehmen auch in der Kürze der Zeit kaum effizient umsetzbar. Auch die Kontrolle der neuen Pflichten und Maßnahmen ließe sich somit nur stichprobenartig kontrollieren.

Gibt es auch in anderen Ländern ein Lieferkettengesetz?

Gesetzliche Rahmenbedingungen für die eigene Lieferkette gibt es nicht nur in Deutschland. Auch das Europäische Parlament hat sich bereits damit befasst und Leitlinien erarbeitet. Zur Bekämpfung von Kinderarbeit gibt es in den Niederlanden bereits seit 2019 ein Gesetz. Frankreich setzt hingegen seit 2017 auf ein Gesetz zu neuen Sorgfaltspflichten und fördert zivilrechtliche Konsequenzen.